Die Landwirtschaft ist das Rückgrat der togolesischen Wirtschaft. Zwei Drittel der Bevölkerung ist in diesem Sektor tätig. Doch gesellschaftliche Entwicklungen, viele junge Leute wollen nicht auf einem ländlichen Feld, sondern in einem städtischen Büro arbeiten, und schlechte Arbeitsbedingungen führen dazu, dass Arbeitskräfte fehlen. Teilweise wandern diese auch in Nachbarländer ab, nur um dort festzustellen, dass sich die Situation vom Ursprungsland nicht wesentlich unterscheidet.

Nicole Bolliger ist Programmverantwortliche Westafrika von Brücke Le Pont. Ende Mai war sie auf Projektreise in Togo. Im Interview geht sie auf die Wichtigkeit der oft vergessenen Feldarbeit ein. Sie erklärt, wie man es schafft, diese attraktiver zu machen, dabei weniger Pestizide zu verwenden, die Institutionalisierung der Projekte zu gewährleisten und im Kleinen sogar einen sozialen Wandel zu ermöglichen.

Immer grössere Felder, aber wenig Arbeiter*innen: Soweit das Problem. Was sind die Lösungsansätze von Brücke Le Pont?

Nicole Bolliger: Um dem Arbeitskräftemangel in Togo entgegenzuwirken, verfolgen wir verschiedene Ansätze. Dafür muss man aber zunächst verstehen, mit welchen Herausforderungen man es überhaupt zu tun hat. Oft sind beispielsweise die Felder von Robusta Kaffee nicht oder schlecht unterhalten. Damit die Pflanzen gut gedeihen, muss das Unkraut weg; entweder manuell, was sehr kräftezehrend und zeitintensiv ist, oder mit dem Einsatz von Pestiziden, was enorm schädlich für die Umwelt und Arbeiter*innen ist. In unserem Projekt Robusta verfolgen wir den Ansatz, diese Arbeit nachhaltig zu mechanisieren, indem wir Mitglieder von Kooperativen schulen, Fadenmäher korrekt zu benutzen und das Mähen als Dienstleistung für Interessierte Kaffeeanbauer*innen anzubieten. Dies generiert eine Einkommensmöglichkeit in einem eher abgelegenen Hochplateau, erleichtert den Unterhalt und ist zudem billiger und effizienter als das Engagieren von Arbeiter*innen.

«Feldarbeiter*innen geniessen in Togo sehr wenig Anerkennung und werden oft ausgebeutet.»

Nicole Bolliger, Programmverantwortliche Westafrika

Einen anderen Lösungsansatz verfolgen wir beim Projekt Mapto. Nicht alle Arbeiten können mit einer kleinen Investition mechanisiert werden und so zugänglich für Kleinproduzent*innen gemacht werden. Deshalb möchten wir jungen Menschen aufzeigen, welche Potenziale es in der Landwirtschaft gibt, und suchen nach Lösungen, um die Arbeit attraktiver zu gestalten. Daraus ist die Idee entstanden, Landarbeiter*innen in Kooperativen zu organisieren, welche gemeinsam ihre Dienstleistungen anbieten.

Was ist der Nutzen dieser Kooperativen?

Grundsätzlich muss man anerkennen, dass Feldarbeiter*innen in Togo sehr wenig Anerkennung geniessen. Wer dieser Arbeit nachgeht, hat im Leben versagt, so das Vorurteil. Entsprechend ist die Berufsbezeichnung auch nicht geschützt, anders als beispielsweise jene der Landwirt*innen. So kommt es, dass Feldarbeiter*innen oft ausgebeutet werden. Aber nicht nur wegen des Stigmas, sondern auch, weil sie schlecht ausgebildet sind und ihre Verhandlungsmacht allein nicht geltend machen können. Diese Prämissen ändern sich durch den Zusammenschluss zu Kooperativen grundlegend, beispielsweise, indem wir Schulungen zu Agroökologie durchführen und dieses Wissen innerhalb der Kooperative weitergegeben wird. Aber auch, indem die Arbeiter*innen in dieser Form geschlossen ihre Interessen vertreten können. So wird anfänglicher Zweifel, das Funktionieren einer Kooperative hängt nicht zuletzt am gegenseitigen Vertrauen der Mitglieder, häufig schon früh zerstreut.

Kommt es hier nicht zu einem Konflikt mit den Landwirt*innen?

Nein, und das ist ein interessanter Punkt in diesem Projekt. Die Landwirt*innen profitieren zunächst von den besser ausgebildeten Arbeiter*innen, was der Effizienz und Qualität zuträglich ist. Zudem tragen Kooperativen zur Rechtssicherheit bei. Für die Landwirt*innen bedeutet dies, dass er sich auf Verträge berufen kann, was Planbarkeit und Vertrauen erhöht. Die Bekanntheit der Kooperativen vereinfacht zudem die Rekrutierung von Arbeitskräften. Gemeinsam mit der Arbeitsrechtsinspektion unterstützten wir die Landwirt*innen und die Feldarbeiter*innen Richtpreise für die unterschiedlichen Aktivitäten festzulegen. Es handelt sich um eine Win-Win-Situation.

Zumal die Verbesserung des rechtlichen Status auch einen positiven Effekt auf das Ansehen der Feldarbeiter*innen haben dürfte.

Genau. Und das darf nicht unterschätzt werden. Die Gesellschaft goutiert die Arbeit auf dem Feld nur bedingt, auch wenn die Wirtschaft Togos stark davon abhängt. Dies hängt auch damit zusammen, dass westafrikanische Gesellschaften sehr hierarchisch sind, junge Menschen müssen oft fest unten durch. Umso besser ist es, dass das Projekt in diesem Kontext auch das Selbstbild der Feldarbeiter*innen stärkt. Sie wissen: Meine Fähigkeiten sind gefragt, zusammen können wir für uns einstehen und so unter fairen Arbeitsbedingungen für die eigene Familie sorgen. Dieser Aspekt wirkt sehr ermutigend.

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Nicole Bolliger, Programmverantwortliche Westafrika, im Gespräch mit Dadaouinam Atanase. Er ist Präsident der Kooperative Presa.

Dennoch stehen die Projekte konträr zu gewissen Entwicklungen im Land. Junge Leute zieht es mehr in die Stadt, oft wandern sie aus Hoffnung auf bessere Arbeitssituationen ins Ausland aus.

Das ist so. Als ich im vergangenen Monat in Togo war, habe ich aber gemerkt, wie gross die Relevanz dieser beiden Projekte ist. Der Mangel an Arbeitskräfte kam in fast jedem Gespräch, das ich geführt habe, auf, sei es mit Gemeindebehörden oder Landwirt*innen. Ebenso wird erkannt, dass die Projekte grosse Chancen für Jugendliche bieten. Die Kooperativen haben viele Jugendliche aufgefangen, die bereits den Entschluss gefasst haben, ins Ausland zu gehen. Zu diesem Schritt entscheiden sie sich übrigens eigentlich immer aufgrund falscher Vorstellungen, oft sind die Arbeitsbedingungen auf den Feldern in Togo nicht wesentlich anders als in Ghana, Benin oder Burkina Faso. Ich habe auch gesehen, wie sich schon Teenager in den Schulferien für die Arbeit der Landarbeiter-Kooperativen interessieren. Mein Eindruck ist, dass die Projekte in der Gesellschaft etwas in Gang gesetzt haben.

Zwei Projekte, zwei verschiedene Ansätze: Will Brücke Le Pont die Erkenntnisse kombinieren?

Tatsächlich ist dies der Plan. Wir führen das Projekt Robusta per Ende 2025 zu Ende. Bei Mapto finden wir derzeit heraus, wie es weitergehen könnte. Ziel ist es, das Gelernte zu institutionalisieren und in unseren Netzwerken vor Ort aber auch in der Schweiz zu teilen. In Zukunft wollen wir uns engagieren, dass die Feldarbeiter*innen als Berufsgruppe anerkannt werden. Dies eröffnet den Arbeiter*innen Zugang zu Sozialleistungen und Krankenversicherung.

Das Gespräch führte Pascal Studer.