Emilienne Zocli musste als Jüngste von sieben Geschwistern die Primarschule nach zwei Jahren abbrechen. Ihre Eltern hatten kein Geld mehr, um das Schulmaterial zu bezahlen. Eine Tante bot an, Emilienne bei sich in der Stadt aufzunehmen, wenn sie im Gegenzug im Haushalt helfen würde. Die damals Achtjährige wurde damit zu einer «Vidomegon», einem fremdplatzierten Kind.

Ihre Tante schrieb sie wieder in der Schule ein. Doch jeden Morgen musste die Kleine um 5 Uhr aufstehen, um vor der Schule abzuwaschen und den Hof und das Haus zu wischen. Da ihre Situation weiterhin prekär war, wurde Emilienne als für den Kinderhandel gefährdet eingestuft und ins Projekt Vidomegon aufgenommen. Dieses bezahlt ihr Schulmaterial und begleitet Emilienne und ihre Gastfamilie eng.

«Emilienne ist eine Vidomegon, die Glück hatte. Hätte ihre Tante sie nicht aufgenommen, wäre sie vermutlich früh verheiratet worden, wie viel zu viele Mädchen in unserer Region.»

Célestin Dansou, Verantwortlicher des regionalen Sozialzentrums

Zunehmende Integration in die Gastfamilie

Emiliennes Tante Josaphate Zocli arbeitet als Polizistin und hat selbst vier Kinder. Sie zählt auf Emiliennes Unterstützung und ist manchmal streng. Da ist die Intervention des Projekts hilfreich: «Einmal mussten wir einen Streit schlichten, als Emilienne vergessen hat, Maismehl beim Müller abzuholen. Josaphate wurde so wütend, dass sie ihre Nichte ins Dorf zurückschicken wollte. Zum Glück war ich gerade auf Besuch und konnte die Situation beruhigen», erzählt Sévérine Hounssinou, die im Projekt ausgebildete Vermittlerin.

Hounssinou macht regelmässige Hausbesuche – angemeldete und unangemeldete –, um nach Emiliennes Wohl zu sehen. Sie hat sich dafür eingesetzt, dass das Mädchen weniger im Haushalt helfen muss und mehr Zeit zum Lernen hat. Dank der Vermittlungsarbeit geht Emilienne nun auch auf Familienausflüge mit, die Josaphates Mann an Wochenenden organisiert. Ihre Eltern sieht Emilienne selten: Nur für die Weihnachtstage kommt die ganze Familie zusammen.

Familie

Emilienne mit ihrer Tante und drei ihrer Cousins (Bild: Stéphane Brabant).

Wäsche

Emilienne hilft ihrer Tante beim Wäschewaschen (Bild: Stéphane Brabant).

Frauen stärken – durch Ausbildung

Josaphate Zocli selbst ist die Jüngste von zehn Geschwistern und die Einzige, die eine Ausbildung machen konnte. «Ich möchte meine Nichten unterstützen, damit sie sich auch ausbilden und später ihrerseits die Familie unterstützen können.» Seit einem halben Jahr wohnt auch Emiliennes ältere Schwester Simonne bei der Familie, um eine Lehre als Schneiderin zu absolvieren. Emilienne hat andere Pläne: Sie will Polizistin werden, wie ihre Tante.