Seit Jahren arbeitet Brücke Le Pont in El Salvador zum Thema Arbeitsrecht. Im Rahmen des Projekts Derechos Laborales setzen sich Urteilsvollstrecker*innen dafür ein, dass geschuldete Beträge von Fabrikbesitzern an die Arbeiter*innen ausbezahlt werden. Das jährliche Projektbudget beträgt rund 70’000 Franken. Die Auszahlungen an die geprellten Arbeiter*innen? Zwischen 2018 und 2023 über 9 Millionen Franken. Zusammen mit der Urteilsvollstreckerin Diana Carolina Soriano Ayala erzählt Carmen de Rodas von ihren Erfahrungen im Rahmen des Projekts.

Carmen, du hast gearbeitet, aber nicht den vollen Lohn erhalten. Wieso?

Carmen: Die Fabrik, in der ich gearbeitet habe, hat angefangen, mein Gehalt zu stunden. Auch bei meinen Kolleg*innen ist dies vorgekommen. Wir erhielten im Zweiwochenrhythmus 14 US-Dollar. Das ist weit unter dem monatlichen Mindestlohn von rund 300 US-Dollar. Die Fabrikbesitzer sagten, wir müssten besser arbeiten, damit sie unser volles Gehalt bezahlen können. Dabei hatten wir unseren Lohn bereits vereinbart. Später haben wir zudem herausgefunden, dass unser Arbeitgeber seit 2018 weder unsere Sozialversicherung noch die Pensionskasse bezahlt hat – auch wenn sie die Beträge von unseren Löhnen abgezogen haben.

Was hast du dann gemacht?

Carmen: Ich habe Beschwerde eingereicht. Beim Arbeitsministerium, bei der Generalstaatsanwaltschaft, beim Ombudsmann für Menschenrechte. Es ging aber nicht vorwärts. Das Problem ist auch, dass es während der Arbeit sehr schwierig ist, ein Verfahren weiterzuverfolgen. Viele meiner Kolleg*innen haben aufgegeben, weil sie bei der Arbeit um Erlaubnis bitten mussten, um wichtige Termine wahrzunehmen. Diese wurde aber oft nicht erteilt. Und arbeiten mussten wir, weil wir eine Familie zu ernähren haben. Meine Kinder sind inzwischen erwachsen, sie unterstützen mich auch im Prozess. Aber viele meiner Kolleg*innen haben diese Möglichkeit nicht, weil ihre Kinder noch zu klein sind.

Diana, Arbeiter*innen wie Carmen sind offensichtlich im Recht. Trotzdem dauern die Prozesse bei den Gerichten sehr lange.

Diana: Das ist so. Wir arbeiten daher daran, dass sich die Verfahren beschleunigen. Inzwischen läuft die Zusammenarbeit mit den Gerichten wirklich gut, wir sind fast täglich in Kontakt. Es gab grosse Fortschritte bei der Straffung der Verfahren, aber auch bei der Mitteilung der Beschlüsse und Urteilen. Im Rahmen von Derechos Laborales dauern Verfahren nicht mehr mehrere Monate. Sie werden in kürzerer Zeit abgeschlossen.

Als Urteilsvollstreckerin setzt du dich dafür ein, dass Texteilarbeiter*innen zu ihrem Recht kommen. Was sind die grössten Herausforderungen dabei?

Diana: Zunächst die Einhaltung der Fristen, diese betragen nur wenige Tage. Es ist daher wichtig, dass wir gut priorisieren. Zudem ist es für Arbeiter*innen teilweise schwierig, gültige Beweismittel vorzulegen. Sie haben häufig keinen Zugang zu den Unterlagen, weshalb wir staatliche Stellen um Hilfe bitten müssen. Zusammen fordern wir säumige Arbeitgeber auf, diese Unterlagen den Textilarbeiter*innen auszuhändigen. Gerade sie sind nämlich in der Beweisführung am meisten im Nachteil.

11 Participante en el proyecto

Projektteilnehmerin Carmen Yesenia viuda de Rodas.

11 Foto abogada

Urteilsvollstreckerin Diana Carolina Soriano Ayala.

Carmen: Das stimmt. Ich habe gelernt, für mich zu kämpfen. Und ich weiss nun, dass ich als Arbeiterin wertvoll bin. In meinem Fall sind wir derzeit in der Pfändungsphase, noch habe ich kein Geld zurückerhalten. Aber ich denke, dass wir erreichen, was wir fordern. Ich werde juristisch unterstützt, wir sind auf einem guten Weg.

Diana: Tatsächlich lerne auch ich im Projekt viel. Das Recht ändert sich ständig. Wir als Fachpersonen müssen uns deshalb ständig weiterbilden. Das können wir im Rahmen von Derechos Laborales tun. So kann ich weiterhin professionell für Menschen einstehen, deren Rechte verletzt werden.

Schriftliches Interview: Pascal Studer